Das Triffin-Dilemma

Im Schatten des beispiellosen Wachstums des materiellen Wohlstands in den aufholenden Industrienationen, aber auch in den USA, wird bereits in den 1950er-Jahren die Saat für die spätere Deregulierung der Finanzmärkte gelegt. In makroökonomischer Hinsicht wurzelte sie in der Asymmetrie des Wechselkursregimes bzw. der Doppelrolle des US-Dollars als nationale und als Reservewährung (Eichengreen 1996: 107).
Die damit einhergehende starke Dollarnachfrage setzte bereits in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre ein, als die Unsicherheit über das wirtschaftliche Los Europas zu einer Kapitalflucht in die USA führte (Kapitalkontrollen waren zu dieser Zeit noch mangelhaft), die zum Teil durch die Marshall-Hilfe kompensiert wurde (Helleiner 1994:58–59).
Ein systematischerer Dollarengpass ergab sich durch das hohe weltweite Wirtschaftswachstum und die starke Zunahme des Außenhandels: Da die Zentralbanken veranlasst waren, ausreichend Dollarreserven zuhalten, um die Stabilität der Wechselkurse ihrer Währungen gegenüber dem US-Dollar zu gewährleisten, beschleunigte sich die internationale Dollarnachfrage. In der amerikanischen Zahlungsbilanz führte dies zu dauerhaften Ungleichgewichten. Da die Ausweitung des Dollarangebots wegen der Goldpreisbindung limitiert war, wurden die hohen Kapitalimporte anderweitig ausgeglichen; z. B. durch den Kauf ausländischer Unternehmen oder durch Auslandshilfe, insbesondere den Marshallplan (Der Spiegel 1961: 19).

Mit dem Anstieg der weltweiten Dollarreserven sank jedoch gleichzeitig das Vertrauen in die US-Zentralbank, diese in unbeschränktem Maße gegen den fixen Betrag von 35 $ je Feinunze zu tauschen, da die Goldvorräte beschränkt waren. Diese dynamische Instabilität des Bretton-Woods-Systems wird als „Triffin-Dilemma“ bezeichnet, benannt nach seinem Autor Robert Triffin: Es bezeichnet das Dilemma der amerikanischen Geldpolitik, einerseits die Weltwirtschaft mit ausreichend Dollarreserven zu versorgen, aber damit gleichzeitig den Goldwert des Dollars und das

Vertrauen in die eigene Währung zu schwächen, oder andererseits die Geldmengenausweitung zu drosseln und eine Weltwirtschaftskrise auszulösen (vgl. Bordo 2017).
Die Verbindlichkeiten der amerikanischen Zentralbank übertrafen 1960 erstmals die US-Goldreserven; es setzte zunehmend ein Umtausch von Dollarreserven in Gold ein und die Dollarknappheit kehrte sich in ein Überangebot um (Eichengreen 1996: 116). Die Dollarverkäufe hätten durch höhere Zinssätze gedrosselt werden können; eine restriktivere Geldpolitik hätte jedoch konjunkturdämpfende Effekte mit sich gebracht und daher nicht der noch vorherrschenden keynesianisch inspirierten Wachstumspolitik entsprochen.
Der realwirtschaftliche Erfolg der Bretton-Woods-Ordnung (gemessen am hohen Wirtschaftswachstum) war damit gleichsam Vorbote seines Untergangs (vgl. dazu Kotz2013: 398, 408).