Es geht darum, wer das strategische Sagen in der Region hat Timelines: N-Iran, N-Iran-takeover

Die USA haben ein Video veröffentlicht, wonach die Attacke von iranischen Revolutionsgardisten vorbereitet wurde. Wie glaubwürdig ist diese Quelle, gerade auch mit Blick auf die Videos angeblicher „Weapons of Mass Destruction“ vor dem Irak-Krieg?
Ich denke, dass man das mediale Material nachrichtendienstlich auswerten müsste, um es abschließend beurteilen zu können. Die aktuellen Zwischenfälle eskalieren sicherlich den Konflikt und führen bereits dazu, den Ölpreis in die Höhe zu treiben. Ob solche oder ähnliche Zwischenfälle berechtigte Anlässe für ein militärisches Austragen des Konfliktes sind oder nicht, ist eigentlich nicht entscheidend. Die Ursache der Konfrontation mit den USA ist der Versuch des Iran, seit Jahren eine ordnungspolitische Führungsrolle in der Region zu spielen, die im diametralen Gegensatz zu den strategischen Interessen der USA und seiner Verbündeten in der Region, insbesondere Israels und Saudi-Arabiens, steht. 

Welches Interesse hätte dann der Iran, einen Angriff wie den auf die Tanker organisiert zu haben?
Auf den ersten Blick kann man kein rationales Interesse des Iran an solchen Anschlägen erkennen. Der nährt natürlich Spekulationen über möglicherweise inszenierte Zwischenfälle, um von den eigenen Absichten abzulenken. So etwas soll, wie wir wissen, vorkommen. Aber das ist die iranische Position, die das behauptet. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit steckt der Iran tatsächlich hinter den Anschlägen, um seine eigenen, asymmetrischen Optionen in dem Konflikt beispielhaft und dosiert der medialen Weltöffentlichkeit zu demonstrieren. Wie gesagt: man muss zwischen Anlass und Ursache unterscheiden. Der „Aggressor“ in der Region ist nicht nur aus der amerikanischen Sicht heraus der Iran, dessen Einfluss tief in die arabische Welt hineinreicht. Es geht darum, wer das strategische Sagen und wer Macht und Einfluss in der Region hat. Deshalb die gezeigten Machtspiele und das „Showing the Force“ im Mittleren Osten. Im Kern geht es um die tief gehende religiöse Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten, um politische und strategische Interessen und Gegensätze sowie um Zugänge zu und Kontrolle von Ressourcen und Handelswegen.

Was wäre die Konsequenz, wenn der Iran die Straße von Hormus blockieren sollte?
Die weltweite Versorgung mit Öl und Gas wäre eingeschränkt und eine erhebliche Verteuerung wahrscheinlich. Die Russen würden sich wahrscheinlich freuen. Sie wären die wirtschaftlichen Hauptprofiteure. Die USA würden prinzipiell als maritime Weltmacht auf dem Offenhalten der internationalen Wasserwege bestehen. Aber sie würden dafür allein keinen Krieg beginnen. Das sieht man deutlich im südchinesischen Meer gegenüber China oder auch bei der jüngsten Kontroverse mit Russland hinsichtlich der Straße von Kertsch. Der Iran könnte drohen, die Straße zu verminen, was sicherlich bereits als Androhung Versicherungsgesellschaften hindern würde, erforderliche Deckungen für Schiffe zu übernehmen oder den Preis für Schiffsversicherungen in die Höhe treiben würde. Ein gewaltsames Offenhalten der Straße von Hormus durch die USA würde unweigerlich zu einer militärischen Auseinandersetzung mit dem Iran führen. Deshalb werden sich das die USA gut überlegen. Je mehr der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, öffentlich über einen Waffengang der USA mit dem Iran schwadroniert, desto unwahrscheinlicher ist er aus meiner Sicht

Wäre denn der Iran ein ernsthafter Gegner in einem Seekrieg? 
Der Iran ist der verstärkten 5. US-Flotte maritim und technologisch weit unterlegen. Allerdings schränkt die Geographie die technologische Überlegenheit der US-Navy ein. Der Iran verfügt zudem über dutzende mit Raketenwerfern und Torpedos bestückte Schnellboote, Seeminen und zahlreiche landgestützte Raketenbatterien, die schon aufgrund der räumlichen Enge für größere Schiffe der 5. US-Flotte gefährlich werden könnten. Man darf das nicht unterschätzen. Schon die übermächtigen Perser scheiterten in der Antike bekanntlich bei Salamis gegenüber den kleinen, wendigen Schiffen der zahlenmäßig weit unterlegenen Griechen. Gleichwohl könnten die USA auch von außerhalb der Meerenge stationierten maritimen Trägerkampfgruppen aus insbesondere mit Luft- und Raketenangriffen die wichtigsten Ziele in der Region militärisch erreichen. Aber sie würden einen Krieg mit der stärksten Regionalmacht am Golf, dem Iran, riskieren. Dafür reichen die US-amerikanischen Kräfte in der Region bei weitem nicht aus. Ohne erhebliche Verstärkung geht das nicht. 

Also halten Sie eine militärische Eskalation für unwahrscheinlich?
Der Iran ist militärisch nicht nach dem vergleichsweise einfachen Schema der Golfkriege gegen den Irak zu schlagen und vor allen nicht zu besetzen. Das wissen die militärischen Planer im Pentagon nur zu gut und ungeachtet dessen, was der amerikanische Präsident per Twitter verkündet. Man muss auch sehen, dass fast alle Erdölfelder der Golfkooperationsstaaten im Wirkungsbereich der iranischen Luftwaffe und iranischer Raketen befinden. Die Erdölfelder sind prädestiniert und liegen wie auf einem Präsentierteller für iranische Vergeltungsschläge. Und man darf nicht vergessen, dass der Iran mit der hochgerüsteten Hisbollah im Libanon und den Iran-getreuen Milizen im Irak und in Syrien sehr viel Unruhe und Schaden in der Region und einen regelrechten Flächenbrand der Gewalt entfachen könnte. Ein möglicher militärischer Konflikt der USA mit dem Iran ist nicht regional begrenzbar.