♠ Privatisierung von profitablem Staatseigentum

Der regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit und sein Finanzsenator Thilo Sarrazin haben 2004 rund 65000 Wohnungen in Berlin an ein Konsortium mit den internationalen Fondsgesellschaften Whitehall (Goldman Sachs) und Cerberus als Investoren für 405 Millionen Euro verkauft. Das Konsortium übernimmt auch die 1,56 Milliarden Euro Schulden der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft.

Wollten die Politiker diese Wohnugnen nun zurückkaufen oder in einem Enteignungsprozess wieder übernehmen, dann müsste der Steuerzahler rund 30 Milliarden an Entschädigung zahlen.

SENAT STIMMT VERKAUF DER GSW ZU

Pressemitteilung vom 25.05.2004

Aus der Sitzung des Senats am 25. Mai 2004:

Der Senat hat auf Vorlage von Finanzsenator Dr. Thilo Sarrazin dem Verkauf der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW-Gruppe) zugestimmt. Eine entsprechende Beschlussvorlage leitet der Senat dem Abgeordnetenhaus von Berlin zu. Der Kaufpreis beträgt 405 Mio. € inklusive einer Kostenpauschale von 4 Mio. €.

Erwerber der GSW ist ein Konsortium mit den internationalen Fondsgesellschaften Whitehall (Goldman Sachs) und Cerberus als Investoren. Sie erwerben 84 % der Geschäftsanteile über eine zu diesem Zweck gegründete gemeinsame Gesellschaft sowie jeweils 3 % der Anteile direkt. 10 % der Anteile erwirbt die Contest Beteiligungs GmbH, Berlin. Weiterer Partner im Konsortium ist die Archon Group Deutschland GmbH, darüber hinaus besteht eine Kooperation mit der HSH Nordbank Immobilien Consult GmbH.

Das Konsortium verpflichtet sich, die sozial- und wohnungspolitischen Ziele der GSW fortzuführen. Insbesondere wird weiterhin breiten Schichten der Bevölkerung preiswerter Wohnraum zur Verfügung gestellt, darunter kinderreichen Familien, alleinerziehenden Elternteilen, Schwerbehinderten, älteren Menschen und ausländischen Familien. Die bestehenden Mietverträge werden erfüllt, auf Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder zur wirtschaftlichen Verwertung wird verzichtet. Zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmieten wird ausschließlich der Berliner Mietspiegel herangezogen. „Luxussanierung“ erfolgt nicht, Sanierungsmaßnahmen werden sich an Standards des geförderten Wohnungsbaus orientieren. Der bevorzugte Verkauf von Wohnraum an Mieter gemäß dem „8-Punkte-Programm“ wird fortgeführt. En-bloc-Verkäufe sind nur zulässig, wenn an die bevorzugte Zielgruppe nicht verkauft werden kann und der Käufer die Pflichten gegenüber den Mietern übernimmt.

Das Bestands- und Quartiersmanagement wird erhalten und intensiviert. Vorgesehen sind unter anderem ein Ausbau der Sprechstunden vor Ort, die Stabilisierung von Problemobjekten durch Wohnumfeldmaßnahmen und die gezielte Qualifizierung von Jugendlichen ohne Berufsabschluss für Hauswarttätigkeiten.

Die Erwerber verpflichten sich, die Anteile an der GSW für mindestens zehn Jahre zu halten. Die GSW und die verbundenen Unternehmen behalten ihren Sitz auf Dauer in Berlin. Die geschäftspolitische Eigenständigkeit der GSW-Gruppe wird sichergestellt, sie wird die bestehenden Geschäftsfelder erhalten und neue entwickeln. Sie wird mit Hilfe des immobilienwirtschaftlichen und finanziellen Know-hows der Erwerber zu einem leistungs- und wettbewerbsfähigen Betrieb weiterentwickelt, der über die Stadtgrenzen hinaus tätig werden und Partnerschaften eingehen soll. Dem Land Berlin wird bis Dezember 2012 ein Aufsichtsratsmandat eingeräumt.

Betriebsbedingte Kündigungen aus Anlass der Übertragung der Geschäftsanteile wird es nicht geben. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen werden fortgeführt, die GSW bleibt Mitglied der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Die Ausbildungsplätze bleiben erhalten und werden nach Möglichkeit ausgebaut, die Übernahme der Auszubildenden wird angestrebt. Bezüglich der Zusagen zu Mieterrechten, Wohnraumprivatisierung, geschäftspolitischer Eigenständigkeit, Verbot betriebsbedingter Kündigungen, Ausbildungsplätzen, Halte- und Standortpflicht sind eine umfangreiche Berichtspflicht sowie Vertragsstrafen bei Verstoß vereinbart.

Die GSW-Gruppe besitzt ca. 65.700 Wohn- und Gewerbeeinheiten in mehreren Berliner Bezirken. Die Schulden gegenüber Kreditgebern betragen rund 1,56 Mrd. €. Das Jahresergebnis 2003 lag bei 13,4 Mio. €.

Die Whitehall-Fonds der US-amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs umfassen ein Investitionsvolumen von rund 66 Mrd. US$. Sie haben im Immobilienbereich 11,9 Mrd. US$ Eigenkapital in ca. 17.000 Projekte investiert. Der Großteil des Vermögens der Whitehall-Fonds wird von der Archon-Gruppe verwaltet, einer hundertprozentigen Tochter von Goldman Sachs. Archon Deutschland verwaltet ein Vermögen von 397 Mio. €. Die US-amerikanische Fondsgesellschaft Cerberus und ihre Töchter verwalten Investmentfonds mit einem Vermögen von mehr als 13 Mrd. US$. Die Fonds konzentrieren sich u.a. auf den Immobilienmarkt, allein in den USA werden zurzeit mehr als 200.000 Wohneinheiten gemanagt. Cerberus hat 2003 eine Gesellschaft in Frankfurt/Main gegründet und bereits in Berlin und anderen Teilen Deutschlands Wohnimmobilien erworben. Contest ist ein mittelständisches Berliner Unternehmen. Es hat unter anderem mehr als 2.800 Wohnungen aus Beständen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften erworben und an Mieter, Eigennutzer und Anleger mit besonderem Mieterschutz privatisiert.