♠ Unis ziehen Lehren aus Fake-Science-Aufdeckung
Den Recherchen zufolge hatten mehr als 5.000 deutsche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihre Forschungsbeiträge in pseudowissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht, die grundlegende Qualitätskriterien missachten. Viele von ihnen hatten zudem Fake-Konferenzen besucht und dort ihre Forschung präsentiert. Die Zahlen waren den Recherchen zufolge in den vergangenen drei Jahren deutlich gestiegen.
Viele Wissenschaftler an Unis im Norden betroffen
In Hannover und Bremen waren zahlreiche Wissenschaftler betroffen, darunter auch bekannte Professoren. An der Uni Hannover werden derzeit Reisen zu Fake-Konferenzen juristisch geprüft. 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wurde empfohlen, in Fake-Journals veröffentlichte Artikel aus ihren Publikationslisten zu entfernen. In Bremen und Hamburg laufen ähnliche Untersuchungen. Zudem will das Rektorat der Universität Bremen vorschlagen, den Verhaltenskodex für Wissenschaftler zu ergänzen.
Möglicherweise wurden öffentliche Gelder zweckwidrig eingesetzt
Auch in Frankfurt untersuchen uniinterne Gremien Fälle im Hinblick auf wissenschaftliches Fehlverhalten: “Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass öffentliche Gelder zweckwidrig eingesetzt wurden, um Fake-Publikationen mit zu finanzieren oder Reisen zu Schein-Konferenzen zu unternehmen”, so ein Sprecher der Frankfurter Universität. An Hochschulen deutschlandweit finden im beginnenden Wintersemester Infoveranstaltungen und Seminare statt, in denen vor Veröffentlichung von Forschungsbeiträgen in dubiosen Zeitschriften und vor dem Besuch von Fake-Konferenzen gewarnt wird. Betroffene Autoren wurden angesprochen und aufgeklärt.
Beratungsangebote, um vor Fake-Verlagen zu schützen
Darüber hinaus werden von zahlreichen Universitäten neue dauerhafte Beratungsangebote mit Fokus auf die Fake-Verlage geschaffen oder bestehende Angebote erweitert und spezielle Internetseiten eingerichtet. Einige Universitäten, so in Würzburg und Bielefeld, erstellen Positivlisten, um gezielt Fake-Verlage identifizieren und ausschließen zu können. An der Universität Regensburg werden die Qualitätskriterien für die Finanzierung von Uni-Publikationen überarbeitet.
Überwiegend positive Resonanz auf Berichterstattung
Zahlreiche Hochschulleitungen begrüßten die Berichterstattung. Boris Tolg, Professor an der Hamburger Hochschule HAW und dort Vorsitzender der Kommission zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis, sagte, die Berichterstattung habe klargemacht, “wie groß das Problem für viele Hochschulen ist. Etwas, was sie sich vorher nicht in dem Maße bewusst gemacht haben.” Die Berichterstattung helfe gerade jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, darauf nicht mehr reinzufallen. Nur einige Hochschulen – wie beispielsweise die Universität Heidelberg – erklärten, sie sähen durch die Recherchen keinen Handlungsbedarf. Man habe in der Vergangenheit schon genug getan.
Antes: “Problem wird oft kleingeredet”
Kritik an einer solchen Haltung kommt von Gerd Antes von Cochrane Deutschland, der sich schon lange mit dem Phänomen der Fake-Verlage beschäftigt. Die Reaktionen der Hochschulen auf die Berichterstattung zeigten “das volle Spektrum: von Naivität, vorsätzlich Wegschauen bis hin zu ‘Wir haben ja Glück gehabt. Bei uns hat’s ja keinen getroffen.'” Bei einigen Universitäten zeige sich aber auch, dass Qualitätssicherung sehr ernst genommen und auch tatsächlich etwas getan werde. Denn das Problem werde noch zu oft kleingeredet und die Frage, welchen Anteil die deutsche Hochschullandschaft daran habe, selten gestellt: “Alles geht in die Richtung: großer Betrug durch kriminelle Verlage.” Lediglich mehr zu informieren, reiche nicht, so Antes. Wissenschaftliches Publizieren müsse grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden.
Geld wurde für Veröffentlichungen kassiert
Oft waren die Wissenschaftler bei Fake-Publikationen Opfer von Internetseitenbetreibern und Konferenzveranstaltern, die ihren Sitz in Indien, in der Türkei oder am Persischen Golf haben und die gegen Geld Veröffentlichungen einen wissenschaftlichen Anschein geben. In einigen Fällen haben Wissenschaftler dies offenbar vorsätzlich getan, um Forschung publizieren zu können, ohne sich der Kritik von Kollegen zu stellen.