♠ So einfach wurden wir Wissenschaftler
Wir haben uns fest vorgenommen, als Wissenschaftler Karriere zu machen. Wie leicht das sein würde, war uns allerdings nicht klar. Inzwischen haben wir eine längere Liste von Publikationen. Fast täglich bekommen wir Angebote, unsere Forschung zu veröffentlichen, auf Kongressen aufzutreten oder gar die Arbeit anderer Wissenschaftler zu beurteilen.
Wir denken uns Wissenschaftler-Ichs aus
Am Anfang steht eine Idee: Würde es uns gelingen, bei der sogenannten “Weltakademie für Wissenschaft, Ingenieurwesen und Technologie” (WASET) eine komplett unsinnige Studie zu veröffentlichen? WASET tritt als wissenschaftlicher Verlag und Konferenzveranstalter auf, soll sich aber um die Inhalte und die Wissenschaftlichkeit von Veröffentlichungen in Wirklichkeit wenig scheren. Wir denken uns also zwei Namen aus: Christian Schreibaumer und Isabella Stein. Beide arbeiten an der Uni Himmelpforten. Der kleine Ort in Niedersachsen zwischen Hamburg und Bremen ist vor allem durch das dortige Weihnachtspostamt bekannt. Wir richten uns noch passende E-Mail-Adressen ein – und schon geht es für uns Richtung Wissenschaftlerkarriere.
Fake Science Folge 3: “Die Verwandlung”
Die NDR Autoren Peter Hornung und Svea Eckert werden zu Wissenschaftlern. Nach kurzer Zeit haben sie mehrfach eine ausgedachte Studie publiziert und werden zu Konferenzen eingeladen.
Der ausgedachte Text wird angenommen
Auf einer Internetseite, die US-Studenten als Scherz eingerichtet hatten, erstellen wir einen unsinnigen Text, der nur so aussieht, als sei er wissenschaftlich. Es geht um einen frei erfundenen Algorithmus namens MOP – in den Fußnoten finden sich Charles Darwin und Kollegen unserer Redaktion. Den Text versehen wir mit einem Titel ohne Sinn: “Hochverfügbare, erlernbare, arbeitsteilige Kommunikation. Ein neutraler Zugang.” Der Titel hat mit dem Inhalt zwar nichts zu tun, aber wir reichen den Text bei WASET ein. Nach wenigen Tagen kommt eine Antwort: Wir sollen bitte den Einstieg um drei Sätze verlängern und eine Fußnote einfügen. Mehr nicht. Sonst findet WASET unser Papier offenbar tadellos. Man lädt uns ein, den Unsinn demnächst auf einer Konferenz in London zu präsentieren.
Preis für die beste Präsentation auf der Konferenz
Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Wir fliegen nach London und quartieren uns im Holiday Inn in Wembley ein, einem seelenlosen Kasten neben dem Fußballstadion. Abends üben wir unsere Präsentation; am folgenden Vormittag tragen wir vor. Es fällt uns schwer, bei dem ganzen Unsinn nicht zu lachen. Es gibt spärlichen Applaus, aber niemandem fällt auf, dass das nichts mit Wissenschaft zu tun hatte. Nicht überraschend, denn die Forscher auf der Konferenz arbeiten in den unterschiedlichsten Disziplinen. Am Nachmittag erhalten wir eine E-Mail, in der uns der Preis für die beste Präsentation verliehen wird. Erst später erfahren wir, dass anderen Teilnehmern dieselbe Ehre widerfuhr.
Das Papier wird veröffentlicht
Unsere wissenschaftliche Karriere geht also bereits gut los. Wir suchen uns weitere pseudowissenschaftliche Verlage; bevorzugt solche, bei denen bereits deutsche Wissenschaftler veröffentlicht haben. “Science Publications” (SciPub) ist ein Unternehmen aus dem arabischen Emirat Schardscha. Hier erscheinen Beiträge von Forschern der Fraunhofer-Gesellschaft. Wir reichen dasselbe Papier ein wie zuvor, tauschen nur zwei Begriffe in der Überschrift. Es dauert knapp zwei Monate, bis wir Antwort bekommen. Ein Professor vom Persischen Golf schreibt Doktor Schreibaumer, vier Experten hätten sich unser Papier angeschaut. Wir kriegen einen Schreck: Der erste habe empfohlen, die Arbeit zurückzuweisen. Es sei unklar, worum es in dem Papier überhaupt gehe. Aber schon Prüfer zwei macht uns Mut: Das sei zwar alles “very poor”. Wenn wir es ordentlich überarbeiteten, dann dürften wir es aber noch mal einreichen. Nummer drei und vier sind unsere Rettung. “Methodisch kleinere Probleme”, so der angebliche anonyme dritte Experte, aber gut geschrieben und inhaltlich “wichtig”. “Vorbehaltlos annehmen”, sagt der vierte angebliche Prüfer. Nachdem wir ein paar Kommata geändert haben, wird unser Text schnell angenommen und erscheint im “Journal für Computerwissenschaft”.
Trotz Skepsis: Weitere Veröffentlichung klappt
Dass wir immer das gleiche Papier einreichen, muss irgendwann auffallen, denken wir. Einem Experten bei “Sciencedomain” fällt es schließlich auf. Bei dem Unternehmen aus dem indischen Bundesstaat Westbengalen veröffentlichen seriöse deutsche Bundesinstitute neben windigen Klimawandelskeptikern. Sie hätten erkannt, dass die Arbeit ein Plagiat sei, heißt es. Kein Kunststück, denn bei den Kollegen von “Science Publications” steht es ja schon online. Geändert haben wir nur unsere Namen: heißen jetzt Jennifer Mueller-Quast und John Maxwen.
Auch zwei andere Gutachter sollen unseren Text bewertet haben. Sollten sie wirklich existieren, scheint es ihnen offenbar egal zu sein, dass die von aus ausgedachte “Forschung” bereits erschienen ist: Sie schreiben etwas von “großem Neuigkeitswert” und “guter Wissenschaft”. Dann mischt sich das Verlagsbüro selbst ein: Um “künftige Komplikationen” wegen der Plagiatsgeschichte zu vermeiden, sollten wir doch einfach den Titel ändern und erneut einreichen. Das tun wir auch – und werden umgehend angenommen.
Anfragen von anderen Verlagen
Langsam füllt sich das Postfach der niedersächsischen Fantasie-Uni in Himmelpforten: Zahlungsaufforderungen für die eingereichten Arbeiten sowie Mails von anderen Verlagen wie “Edelweiss Publications”. Das Unternehmen findet die Arbeit unseres Duos so toll, dass es sie veröffentlichen will. Gegen 300 Dollar. Ein indischer Verlag namens IOSR will Doktor Schreibaumer nach Einreichen seines Sinnlos-Papiers vor lauter Glück gar zum Herausgeber machen. In einem Formular soll er lediglich die Zahl seiner internationalen Veröffentlichungen angeben und zusichern, dass er sofort auf E-Mails der Firma antworten werde. Mit einem Blick in die Adresszeile sehen wir, dass diese E-Mail an 24 weitere Wissenschaftler ging; alle offenbar in Südasien und Afrika. Uns beschleicht das Gefühl, dass es den Fake-Verlagen nur um unser Geld und unseren Namen geht, den sie dann stolz auf ihrer Homepage präsentieren können.
Ausbeute: Sechs Veröffentlichungen
Am Ende der Recherche haben wir eine stattliche Ausbeute: Die meisten Fake-Verlage nehmen unsere Arbeiten an. Veröffentlicht haben wir sechs Texte bei fünf Verlagen. Lediglich beim indischen Konzern OMICS scheitern wir mit dem Sinnlos-Artikel, der Computerwissenschaft sein soll. Dafür schaffen es dort kurz darauf die Kollegen vom “Süddeutsche Zeitung Magazin” mit einer Arbeit über Bienenwachs, das bei Krebserkrankungen helfen soll. Wenn wir Absagen bekommen, dann sind sie meistens mit dem Hinweis versehen, doch gleich etwas Neues einzureichen. Nur ein Verlag schreibt eine recht kurze Antwort: “Zurückgewiesen. Mach doch mal was Sinnvolles.”