Megafusionierungen – Die Vormachtstellung des Finanzkapitals Timelines: Geld-Finanzregulierungen
Die Aufhebung der Zinssatzdeckelung hatte also eine zunehmende Überlappung der Geschäftsfelder von Banken, Bausparkassen und Geldmarktfonds zur Folge.
Dies stellte wiederum die strikte Spartentrennung, die neben der Zinssatzdeckelung ein weiterer Grundpfeiler des Banking Act 1933 war, in Frage. Die vagen Formulierungen des Gesetzestextes ließen der US-Zentralbank einen hohen Interpretationsspielraum, den sie im Lichte der neuen makroökonomischen Rahmenbedingungen für eine weitere Deregulierung nutzte.
1986 wurde der Glass-Steagall-Act neu ausgelegt und Geschäftsbanken der Einstieg in Wertpapiergeschäfte im Ausmaß von maximal fünf Prozent ihrer Gesamterträge ermöglicht (Sherman 2009: 9).
Zentralbankgouverneur Volcker stand der Neuauslegung skeptisch gegenüber. Gegen seine Stimme wurde es Geschäftsbanken ermöglicht, Unternehmensanleihen, hypothekenbesicherte Schuldverschreibungen und Gemeindeschuldverschreibungen zu begeben.
Mit der Wahl des prononcierten Deregulierungsbefürworters Alan Greenspan zum Zentralbankgouverneur 1987
setzte sich die Aushöhlung der Spartentrennung fort. Erst wurde die Obergrenze für Wertpapiergeschäfte auf 10 % der Gesamterträge erhöht, später (1996) auf 25 %, was einer faktischen Abschaffung der Spartentrennung gleichkam.
Der Großteil der faktischen Deregulierung weniger Kreditlenkung, Reduktion von Reservevorschriften, Abschaffung von Zinsobergrenzen, Verringerung von Markteintrittsbarrieren, Abschaffung von Kapitalverkehrskontrollen – war in den Industrieländern bis Mitte der 1990er-Jahre umgesetzt, wie der Finanzmarktliberalisierungsindex von Abiad/Detragiache/Tressel (2010: 291, Abb. 1) zeigt.
Dieses neue Umfeld weitreichender deregulierter Finanzmärkte, insbesondere die Aushöhlung der Spartentrennung zwischen 1986 und 1999, löste eine Welle an Unternehmenszusammenschlüssen in der Finanzwirtschaft aus; zwischen 1990 und 1998 reduzierte sich die Anzahl an Banken in den USA um fast ein Drittel.
1998 erfolgte die bis dahin größte Fusion zweier Unternehmen, jene zwischen „Travelers Insurance Group“, einem Versicherungsunternehmen, und „Citicorp“, dem Mutterkonzern von „Citibank“, einer Bank. Gemäß den Vorschriften des Glass-Steagall-Act hätte das neu entstandene Finanzkonglomerat, „Citigroup“, die Versicherungssparte innerhalb von zwei Jahren abtreten müssen (Sherman 2009: 9–10).
Dies geschah jedoch nicht; stattdessen wurden gemäß der Deregulierungslogik die Gesetze geändert: Der Glass-Steagall-Act wurde 1999 durch den Financial Modernization Act (auch: „Gramm-Leach-Bliley-Act“) ersetzt und das Verschmelzen unterschiedlicher Sparten (Investment-, Makler- und Versicherungsaktivitäten) mit dem normalen Einlagengeschäft, das Geschäftsbanken vorbehalten war, legitimiert.
Die gesetzliche Abschaffung der Spartentrennung war ein weiterer Meilenstein im Prozess der Finanzmarktderegulierung und ein Wegbereiter der Finanzmarktkrise 2007/08. Caprio/Honohan/Stiglitz (1999) fassten die bis dahin erfolgte Liberalisierung der Finanzmärkte in drei Kategorien zusammen:
- Abschaffung von Zinssatz- und anderer Preiskontrollen,
- Privatisierung von Finanzdienstleistungen und
- Reduktion der Kreditlenkung durch den Staat,
- Zulassung neuer Marktteilnehmer,
- Abbau von Branchenbarrieren und Beseitigung gesetzlicher Bestimmung zur Verhinderung von Wettbewerb.