♠ Singen ist lustiger als Weinen

Ich habe weinen wollen; da dachte ich, Das Singen ist lustiger und dem Mund und der Stimme geht’s im Gleichen; dann können doch die Füße noch tanzen:

1.

Für Menschheit sprach das Weisheitslicht.

Doch thut man’s oft verletzen;

Drum ist des Menschen erste Pflicht,

Sein Dasein hoch zu schätzen

2.

Bewußtseyn ist das größte Glück,

Das uns Gefühl kann geben;

Drum Dank dir, göttliches Geschick,

Für das so schöne Leben.

3.

Als Jüngling fragt er nach Verstand,

Die große Welt zu prüfen;

Doch bald bath in des Mädchens Hand,

In’s Liebesmeer zu schiffen.

4.

Dann scherzt und küsst er mit Gefühl,

Was ihm Natur gegeben,

Und dankt er Jugendfeude still.

Für das so schöne Leben.

5.

Wird dann er erst recht aufgeklärt,

Den guten Kopf zu kennen;

Wass dann ein Weibchen ihn beehrt,

Mit Mädchen und mit Söhnen.

6.

Dann denkt er erst: Jetzt leb’ ich froh,

Will gern nach Tugend streben;

Ich denk: Es ist der Wille so

Für das so schöne Leben.

7.

Und ist alsdann die Zeit vorbey,

Als Greis von hier zu scheiden,

Dann dankt er frohen Muths dabey

Für das so schöne Leben.

8.

Wenn seine Wurzel Zweige wirft,

Den Stammbaum zu erheben;

Er dankt, wenn er hinüberschifft,

Für das so schöne Leben.

9.

Wenn uns auch wenig Glück zufließt,

Im Überfluß zu prangen,

So bleibt doch, wenn man redlich ist,

Das Bild der Tugend hangen.

10.

Ich wünsch’ nur, was ich täglich brauch’,

Möcht’ mir Vorsehung geben;

Dank sey alsdann dem Ehestand auch

Für das so schöne Leben.

Leonhard Karl Inderbitzin: Kaleidoskop oder unerschöpfliche Mannigfaltigkeit der Ehestands-Farben; von einem sonderbaren und seltenen Autor in Hirthemd und Holzschuhen aus dem Kanton Schwytz. Zug 1824.